Tag 1: De Gaulle in Bonn

Einstimmung auf die deutsch-französische Freundschaft — De Gaulles Deutschlandreise 1962

Start der Reise in Bonn: de Gaulles Mission

Die sechstägige Deutschlandreise des französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle begann am 4. September 1962 mit einer offiziellen Begrüßung durch Bundespräsident Heinrich Lübke und Bundeskanzler Konrad Adenauer in Köln. In der Stadt zeichnete sich ein Bild, das typisch für die kommenden Tage war: Mehrere Tausend Menschen säumten die Straßenränder, um den Franzosen zu bejubeln.

Bei seinem ersten offiziellen Termin mit dem Bundespräsidenten sah sich de Gaulle der Kritik Lübkes ausgesetzt, der eine zu enge Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich, ohne Einbindung der anderen EWG-Staaten und die bisher verweigerte Aufnahme Großbritanniens in die Staatengemeinschaft, anprangerte. Trotz seiner Verärgerung über diese Vorwürfe machte de Gaulle in seiner Rede im Rahmen des abendlichen Festbanketts deutlich, dass die Annäherung zwischen Westdeutschland und Frankreich das wichtigste und hervorragendste Ereignis sei, das Europa und die Welt bis dahin erlebt hätten. Weiterhin forderte er, dass die Aussöhnung beider Staaten als Quelle der Kraft und des vereinten Handelns gegen den gemeinsamen Feind, die Sowjetunion, dienen müsse.

Zu diesem Zeitpunkt standen jedoch viele Politiker einer zu engen Bindung der Bundesrepublik an Frankreich noch äußerst skeptisch gegenüber.

Verdeutlicht wurde dieses Haltung durch die Anweisung des Bonner Außenministeriums, de Gaulles „union“ in der offiziellen deutschen Übersetzung seiner Tischrede mit dem schwächeren Ausdruck „Zusammenschluss“ wiederzugeben.

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Bonn: Der Reisetag 1 im Detail

Charles De Gaulle — Deutschlandreise 1962

Mit der Ankunft Charles de Gaulles (1890-1970) und seiner Frau Yvonne (1900-1979) am Flughafen Köln-Wahn begann am Vormittag des 4. Septembers 1962 die Deutschlandreise des französischen Staatspräsidenten. Dort wurden die Gäste von Bundespräsident Heinrich Lübke (1894-1972) und dessen Frau, von Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876-1967) und der gesamten Bundesregierung sowie von Vertretern der westdeutschen Hauptstadt Bonn offiziell empfangen. Bei der Weiterfahrt General de Gaulles zu Schloss Ernich, dem Sitz des französischen Botschafters in der Bundesrepublik und Quartier des französischen Staatsoberhaupts für die folgenden drei Nächte, säumten etwa 200.000 Menschen die Ränder der Straßen, um de Gaulle jubelnd zu begrüßen.

Bei einem Treffen mit dem Bundespräsidenten am Nachmittag, in dessen Amts- und Wohnsitz, der Villa Hammerschmidt, wurde der General mit der Kritik von Heinrich Lübke an einer zu engen Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich überrumpelt. Das deutsche Staatsoberhaupt prangerte die mangelnde Einbindung der anderen vier EWG-Staaten sowie eine fehlende Aufnahme Großbritanniens in die Gemeinschaft an. Dieses nicht sehr diplomatische Vorgehen des Bundespräsidenten führte zu sichtlicher Verärgerung bei de Gaulle. Später begrüßte der Staatsgast im Ballsaal der Stadt Bad Godesberg das Bonner diplomatische Korps und trug sich in das Goldene Buch der Stadt ein.

Das abendliche Gala-Diner des Bundespräsidenten auf Schloss Augustusburg in Brühl nutzte de Gaulle als Anlass, um in seiner französischen Tischrede die Annäherung zwischen Westdeutschland und Frankreich als das wichtigste und hervorragendste Ereignis, das Europa und die Welt bis dahin erlebt hätten, zu würdigen. Er forderte, dass die Aussöhnung beider Staaten, die nun endlich zu einer Tatsache werde und nicht mehr nur ein Wunsch sei, eine Quelle der Kraft, des Einflusses und des vereinten Handelns bilden solle. Als gemeinsamen Feind identifizierte der General dabei die Sowjetunion, die eine direkte Bedrohung für beide Länder darstelle. De Gaulle betonte weiterhin, dass die deutsch-französische „union“ als Ganzes für das zukünftige Wohl aller Menschen entscheidend sei und dass nur so die gemeinschaftlichen Herausforderungen des Fortschritts, der Wissenschaft, der Technik, der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Kultur gelöst werden könnten.

Die Gäste erhoben sich anschließend zu tosenden Beifallsbekundungen. De Gaulles „union“ wurde allerdings auf Druck des Bonner Außenministeriums in der offiziellen deutschen Übersetzung mit „Zusammenschluss“ statt mit dem naheliegenden Ausdruck „Union“ übersetzt; ein klares Zeichen für das vorsichtige Agieren vieler führender Politiker, die — im Gegensatz zu Adenauer, der diesbezüglich selbst in der eigenen Partei nur mit mangelnder Unterstützung rechnen konnte — einer zu engen Bindung der Bundesrepublik an Frankreich äußerst skeptisch gegenüber standen. Den Großen Zapfenstreich der Bundeswehr im Anschluss an das Diner verfolgte de Gaulle mit erkennbarem Interesse.

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