Tag 2: Erste Rede de Gaulles in Bonn

Charles de Gaulle erobert die Herzen der Bürgerschaft

Der zweite Tag der Deutschlandreise de Gaulles begann mit einem Treffen des französischen Präsidenten mit Konrad Adenauer. Der deutsche Bundeskanzler relativierte dabei die am Vortag von Lübke geäußerte Kritik. Adenauer machte deutlich, dass für ihn die Annäherung Westdeutschlands an Frankreich Vorrang vor einer schnellen Erweiterung der EWG um zusätzliche Mitgliedstaaten habe.

Adenauer äußerte darüber hinaus den Wunsch nach einer dauerhaften Bindung Deutschlands an Frankreich und einer abgestimmten Politik beider Staaten nach außen, um die eigenen Interessen effektiver vertreten zu können. Ein besonderes Augenmerk legten die beiden Staatsmänner dabei auf die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik sowie auf den Bereich der Jugend — jene Sektoren, die später auch im Élysée-Vertrag berücksichtigt wurden. Über konkrete Inhalte eines Abkommens einigte man sich an diesem Tag aber noch nicht.

De Gaulle spricht Deutsch

Am Nachmittag wendete sich de Gaulle mit einer Rede erstmals an die deutschen Bürgerinnen und Bürger. Vor etwa 20.000 bis 30.000 Menschen sprach er auf dem Bonner Marktplatz — zur Überraschung aller auf Deutsch und frei. Der Franzose setzte damit ein Zeichen für seine besondere Verbundenheit zu Deutschland; seine Sprachkenntnisse sammelte er überwiegend während seiner deutschen Kriegsgefangenschaft während des Ersten Weltkrieges, in die er nach der Schlacht von Verdun 1916 geraten war.

In der Ansprache dankte de Gaulle dem „großen deutschen Volk“ für den herzlichen Empfang und versicherte, dass in den Herzen aller Französinnen und Franzosen, die in diesem Augenblick nach Bonn schauen würden, eine Welle der Freundschaft aufsteige. Mit den Schlussworten

„Es lebe Bonn!
Es lebe Deutschland!
Es lebe die deutsch-französische Freundschaft!“

verabschiedete sich de Gaulle und reiste mit Adenauer weiter nach Köln. Dort ehrte er in einer Ansprache den Bundeskanzler als „großen[n] Deutsche[n]“ und „große[n] Europäer“, womit er seinen Beitrag zur deutsch-französischen Freundschaft würdigte. Adenauer wiederum bekräftigte, dass die Begeisterung für die deutsch-französische Annäherung, wie man sie in Köln und Bonn miterlebt habe, stellvertretend für ganz Deutschland stünde. Diese Aussage sollte im Laufe der Reise noch häufiger bestätigt werden.

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Bonn: Reisetag 2 im Detail

Charles De Gaulle — Deutschlandreise 1962

Zu Beginn des zweiten Tages seines Deutschlandbesuches traf sich Charles de Gaulle mit Bundeskanzler Konrad Adenauer im Bonner Kanzleramt, dem Palais Schaumburg. Adenauer dankte dem General für seine Tischrede am Abend zuvor und erklärte sich mit dem Gesagten vollkommen einverstanden. Im Hinblick auf Lübkes am Vortag geäußerte Kritik versuchte der Bundeskanzler den General zu beschwichtigen; de Gaulle solle sich von der „Ängstlichkeit“ des Bundespräsidenten nicht beunruhigen lassen, da dieser am politischen Tagesgeschehen „nicht so nah dran“ sei und letztlich immer noch der Kanzler die Richtlinien der Politik bestimme. Adenauer machte deutlich, dass für ihn die Annäherung Westdeutschlands an Frankreich Vorrang vor einer schnellen Erweiterung der EWG um zusätzliche Mitgliedstaaten habe. Er äußerte darüber hinaus den Wunsch nach einer dauerhaften Bindung Deutschlands an Frankreich und einer abgestimmten Politik beider Staaten nach außen, um die eigenen Interessen effektiver vertreten zu können. Besonders schwebten beiden Staatsmännern dabei die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik sowie der Bereich der Jugend vor, jene Sektoren, die später im Élysée-Vertrag berücksichtigt wurden. Über konkrete Inhalte eines Abkommens einigte man sich aber noch nicht.

Gegen Mittag wurde de Gaulle auf dem Bonner Marktplatz von einer enthusiastischen Menschenmenge begrüßt. Selbst die Verantwortlichen waren von diesem Zuspruch überrascht, da im Vorfeld keinerlei Organisation stattfand und viele der anwesenden 20.000 bis 30.000 Leute den französischen Staatspräsidenten scheinbar spontan sehen und willkommen heißen wollten. Nach dem Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Bonn hielt de Gaulle eine Ansprache — zur Überraschung der Zuhörerinnen und Zuhörer frei und auf Deutsch. Der französische Staatschef hatte diese und die noch folgenden Reden in deutscher Sprache zuvor mit seinem Übersetzer ausgearbeitet und auswendig gelernt, so dass er sie nicht ablesen musste. Seine Sprachkenntnisse hatte er sich vor allem während seiner Gefangenschaft in Ingolstadt während des Ersten Weltkrieges angeeignet. De Gaulle dankte dem „großen deutschen Volk“ für den herzlichen Empfang und versicherte, dass bei allen Französinnen und Franzosen, die in diesem Augenblick nach Bonn schauen würden, eine Welle der Freundschaft in den Geistern und Herzen aufsteige. Bei de Gaulles Schlussworten brach grenzenloser Jubel aus: „Es lebe Bonn! Es lebe Deutschland! Es lebe die deutsch-französische Freundschaft!“

Im Anschluss fuhr de Gaulle mit Adenauer weiter nach Köln. Der Bundeskanzler war lange Zeit Bürgermeister der Stadt gewesen, umso mehr Menschen — circa 50.000 — füllten daher die Straßenränder und den Rathausplatz. Der französische Staatsgast dankte es ihnen, denn trotz strömenden Regens ließ er das Wagendach öffnen, um der Menge zuwinken zu können.

Am Abend nahm de Gaulle auf Einladung des Kanzlers an einem Bankett auf dem Petersberg nahe Bonn teil. Zu den Gästen zählten der Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier (1906-1986), zahlreiche Bundesminister, mehrere Ministerpräsidenten und viele Bundestagsabgeordnete. In einer Bankettrede bezeugte Adenauer seine Freundschaft zu de Gaulle und erklärte, dass die Begeisterung über die deutsch-französische Annäherung, wie man sie an diesem Tag bei den Bonnern und Kölnern miterlebt habe, stellvertretend für ganz Deutschland stünde.

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